© 2014 Holger Albers

Mai 2015: Nicht von Verben umklammern lassen

Mark Twain war ein großer Schriftsteller. Sein Name ist untrennbar verbunden mit seinen Geschichten vom Mississippi, an und auf dem seine Helden Tom Sawyer und Huckleberry Finn lebten. Twain, der eigentlich Samuel Clemens hieß, hatte aber einen Horizont, der weit über die amerikanischen Südstaaten hinausging. So bereiste er mehrfach Europa und berichtete davon in Büchern. Eines davon ist besonders interessant: 'Die schreckliche deutsche Sprache' lautet der Titel.


Warum diese lange historische Vorrede? Weil sich Twain in diesem Buch unter anderem dem so genannten Umklammerungsgesetz widmet. Sein Beispiel hier zu wiederholen würde den Rahmen sprengen. Es begann: "Als die Koffer endlich gepackt waren, reiste er, nachdem er ..." Nun folgen sage und schreiben elf Zeilen Text, in denen erläutert wird, was er noch alles erledigen musste. Beendet wird der Satz mit einem 'ab'. Das gehört zum viel weiter vorne stehenden Verb und bildet mit ihm zusammen das Wort 'abreisen'.


Grammatisch ist das völlig in Ordnung. Stilistisch ist es aber einfach nur schlecht und eine Zumutung für den Leser. Der kann sich nach all den Einschüben schon gar nicht mehr erinnern, dass er das Wort 'reiste' gelesen hat, und dass sich die zwei Buchstaben 'ab' darauf beziehen.


Worin besteht also die Lösung des Problems? Zunächst in der Möglichkeit zu schreiben "... er reiste ab, nachdem ...". Das ist sprachlich in Ordnung und deutlich lesefreundlicher. Will man es beim zerlegten Verb belassen, dann sollte man sich als Faustregel merken: Zwischen den Verbeteilen sollten nie mehr als zwölf Silben - also etwa sechs Wörter - stehen. Ähnlich verhält es sich übrigens bei Nebensätzen. Auch sie sollten kurz sein, denn hier steht das Verb in Gänze in aller Regel hinten. Wir sollten unsere Leser nie so lange im Unklaren über die Aussage unseres Satzes lassen.